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Wie geht gerechter Klimaschutz?

Wie geht gerechter Klimaschutz?

Mit 17 Jahren ist Ibo Mohamed aus Syrien geflohen. Heute lebt der Jugendarbeiter und Aktivist in Deutschland und wurde zu einer wichtigen politischen Stimme. Im Gespräch mit zebra. erzählt er von seiner Jugend als Kurde in Rojava und erklärt, warum Klimagerechtigkeit und Migration untrennbar miteinander verbunden sind.

Ein Artikel aus der November 2025 Ausgabe von zebra. 


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Wie geht gerechter Klimaschutz?

Mit 17 Jahren ist Ibo Mohamed aus Syrien geflohen. Heute lebt der Jugendarbeiter und Akti-vist in Deutschland und wurde zu einer wichtigen politischen Stimme. Im Gespräch mit zebra. erzählt er von seiner Jugend als Kurde in Rojava und erklärt, warum Klimagerechtigkeit und Migration untrennbar miteinan-der verbunden sind.

zebra.: Herr Mohamed, Sie sind in Syrien aufgewachsen. Wie war Ihre Kindheit?
Ibo Mohamed: Ich bin in der Stadt Qa-mischli in Rojava nahe der türkischen Grenze aufgewachsen. Wir sind Kurden und durften weder Kurdisch sprechen noch unsere Feste feiern. Auch wegen dieser Diskriminierungen war ich schon als Kind politisch interessiert. Ich wollte immer Nachrichten schauen, während mein Bruder lieber Cartoons sehen wollte. Als der Arabische Frühling mit den De-monstrationen in Tunesien begann, hat mich das sehr beschäftigt.
Ich habe mir gewünscht, dass diese Re-volution auch nach Syrien kommt, weil ich einen politischen Wechsel wollte. Der Arabische Frühling kam dann, aber er war nicht nur positiv.
Es gab zwei Gruppierungen, die gegen die Regierung gekämpft haben: die freie syrische und die kurdische Armee. Bei uns in der Stadt waren die Hälfte bei der einen und die andere Hälfte bei der anderen Armee. Ich begann, mich zu engagieren und war mit zwölf, dreizehn Jahren jeden Freitag auf Demos gegen die Regierung. Meine Eltern haben mir die Freiheit gelassen, das zu tun, auch wenn sie Angst hatten. 

Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie wussten: Ich muss gehen?
Ich war sehr neugierig und wollte Jour-nalist werden. Sobald etwas passiert war, lief ich hin. Das hat meinen Eltern Angst gemacht. Als ich 17 war, wollten sie, dass ich Syrien verlasse – auch, damit ich nicht in den Krieg ziehen muss. Und weil ich politisch aktiv war, war das gefährlich. Schließlich haben sie mich überzeugt, zu fliehen. Ich habe das akzeptiert.

Sie kommen aus Rojava, einer Re-gion mit einem einzigartigen poli-tischen Projekt. Wie würden Sie es beschreiben?
In Rojava begann 2011 eine Revolution. In den kurdischen Gebieten, in denen Assad nicht mehr präsent war, versuchte man, eine Selbstverwaltung aufzubauen. Am Anfang funktionierte das nicht immer gut, aber man gründete Kommunen und arbeitete basisdemokratisch. Dann kam 2014 der Islamische Staat (IS) und kontrollierte plötzlich viele Gebiete im Nordirak, in denen Jesiden und Kurden lebten. Es ge-schahen schreckliche Dinge. Die kurdische Armee kämpfte ständig dagegen, aber der IS war sehr stark. Schließlich gelang es, ihn mit internationaler Hilfe zu besiegen, und die Stadt Kobanê wurde zu einem Symbol des Widerstands. In Rojava stehen Basisdemokratie, Ökologie und Frauen-rechte im Mittelpunkt. Heute gibt es eine gewisse Stabilität, auch wenn es immer wieder Angriffe gibt: von Islamisten oder von der Türkei. Es ist ein wunderschöner, aber zugleich gefährlicher Ort.

Wie ist die Situation heute?
Viele linke Themen sind dort lebendig. Menschen aus Europa reisen dorthin, um die Bewegung zu unterstützen. Trotz aller Kritik versucht man, dieses Land gemeinsam aufzubauen. Kurden, Christen, Muslime und Jesiden arbeiten zusammen. Es gibt keine ethnischen Konflikte. Auch der Feminismus spielt eine zentrale Rolle: Es gibt keine Ämter, die nur Männer ausüben. Jede Position wird von einer Frau und einem Mann gemeinsam besetzt. Der syrische Staat erkennt diese Autonomie bislang nicht an. In Rojava sitzen noch viele IS-Kämpfer in Gefängnissen, und es gibt dort Armeen aus verschiedenen Ländern. Frankreich und die USA versuchen, zwischen der aktuellen syrischen Regierung und der Region Rojava zu vermitteln und eine Zusammenarbeit zu fördern, doch bisher gestaltet sich das schwierig.

Sie haben Syrien als Jugendlicher verlassen. Warum führte Ihre Flucht ausgerechnet nach Deutschland?

Ich glaube, ich habe mir darüber gar nicht so viele Gedanken gemacht. Ich wollte eigentlich gar nicht fliehen. Es spielte für meine Eltern eine Rolle, denn mein Onkel hatte in Deutschland gelebt und Gutes erzählt. Außerdem hieß es, dass viele Kurden dort wohnen. Ansonsten wusste ich von Deutschland nur, dass es gut im Maschinenbau ist – und im Fußball.

Wie hat Sie Ihre Erfahrung als Ge-flüchteter geprägt – auch im Hinblick auf das Thema Gerechtigkeit?
Ich habe mich zuerst mit dem Asylrecht beschäftigt und dann bei Mahnwachen angefangen. Nicht viele Menschen haben Fluchterfahrungen oder Krieg erlebt und ich wünsche das auch niemandem. Aber es hat mich motiviert, mich zu engagie-ren. Ich war in Syrien schon politisch interessiert, aber in Deutschland hatte ich plötzlich Freiheit und Möglichkeiten. Als Geflüchteter war es für mich wichtig, dass die Welt gerechter wird, damit Menschen ihre Heimat nicht verlieren, weil sie zerstört wird. Das hat mich dazu angetrieben, aktiv zu werden.

In Südtirol haben Sie über Klimagerechtigkeit gesprochen. Wie definieren Sie diesen Begriff?

Klimagerechtigkeit ist komplex. Vereinfacht gesagt: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen zusammen gedacht werden. Verschiedene Formen von Diskriminierung spielen dabei eine Rolle. Man kann Klimagerechtigkeit auf drei Ebenen betrachten: Zunächst innergesellschaftlich – ärmere Menschen verursachen weniger CO₂ als reichere. Zweitens zwischen den Generationen – die ältere Generation hat mehr Emissionen verursacht als die jüngere. Und drittens global – der Globale Norden hat histo-risch durch Kolonialismus und Indust-rialisierung die Klimakrise maßgeblich vorangetrieben.

Wann haben Sie gemerkt, dass Klimagerechtigkeit und Flucht für Sie zusammengehören?
Das war, als ich verstanden habe, dass viele Wann haben Sie gemerkt, dass Klimagerechtigkeit und Flucht für Sie zusammengehören?
Das war, als ich verstanden habe, dass viele Menschen nicht wegen Politik fliehen, sondern weil ihre Lebensgrundlagen zerstört werden – durch Dürre, Überschwemmungen, Hunger. Mir wurde klar: Das ist auch eine Form von Ungerechtigkeit.

Die Klimakrise ist bisher kein aner-kannter Fluchtgrund.
Doch sie zwingt viele Menschen zur Flucht, und in Zukunft werden es noch Millionen mehr sein. Für mich bedeutet Klimagerechtigkeit, dass wir im Globalen Norden Verantwortung übernehmen. Wir dürfen Menschen nicht an den EU-Außengrenzen sterben lassen oder Mauern errichten. Wir müssen die Ursachen der Klima- und Fluchtkrisen bekämpfen. Menschen brauchen ein Anrecht auf Asyl.

Welche Maßnahmen sollten Länder des Globalen Nordens ergreifen?

Wir müssen den CO₂-Ausstoß verringern. Das Pariser Klimaabkommen nennt 1,5 °C als Ziel, aber wir steuern auf 3 °C zu. Außerdem müssen Klimagelder sinnvoll eingesetzt werden. Der globale Süden braucht Unterstützung, um klimafreund-liche Strukturen aufzubauen – nicht Kredite, die zurückgezahlt werden. Wir müssen global denken, weil wir hier mehr Ressourcen haben und die Krise hauptsäch-lich verursachen. Wichtig sind zudem die Entmilitarisierung und die Verantwortung von Konzernen, die den Globalen Süden ausbeuten und rund 17 Prozent der CO₂-Emissionen verursachen.

Sie engagieren sich bei Fridays for Future. Welche Perspektiven bringen Sie ein, die andere vielleicht nicht haben?
Ich versuche immer, das Thema Klimage-rechtigkeit einzubringen und global zu denken. Klimaschutz – zum Beispiel Bäume pflanzen – ist wichtig, aber es braucht die globale Perspektive. Ich bringe viel politische Erfahrung mit und rege an, dass wir als Gruppe bewusster und reflektierter handeln.

Sie engagieren sich bei Fridays for Future. Welche Perspektiven bringen Sie ein, die andere vielleicht nicht haben?
Ich versuche immer, das Thema Klimage-rechtigkeit einzubringen und global zu denken. Klimaschutz – zum Beispiel Bäume pflanzen – ist wichtig, aber es braucht die globale Perspektive. Ich bringe viel politische Erfahrung mit und rege an, dass wir als Gruppe bewusster und reflektierter handeln.

Welche politischen Schritte wären nötig, um Klimagerechtigkeit und Migration gemeinsam zu denken?

Bei Klimakonferenzen müssen Migration und globale Gerechtigkeit stärker berück-sichtigt werden. Diese Konferenzen sind wichtig, aber sie geben mir wenig Hoffnung, weil oft wenig umgesetzt wird. Trotzdem: Sie müssen stattfinden, aber Migration gehört mehr in den Fokus.

Sie arbeiten auch in der Jugendarbeit. Was raten Sie jungen Menschen, die sich engagieren möchten, aber unsicher sind, wie?
Junge Menschen können immer lokal aktiv werden. Es ist wichtig, sich mit Themen auseinanderzusetzen, statt sich von Angst oder Ohnmacht lähmen zu lassen. Es geht nicht darum, sofort Großes zu leisten. Schon kleine Schritte zählen. Ihr habt mehr Einfluss, als ihr denkt – besonders hier, wo ihr eure Meinung frei äußern könnt. Ihr habt Macht, indem ihr mit Familie oder Freunden und Freundinnen sprecht und euch engagiert. 

Was motiviert Sie, dranzubleiben?

Ich muss dranbleiben (lacht). Es gibt mir Hoffnung, wenn viele Menschen sich engagieren. Auch wenn es Rückschläge gibt, ist das Thema so wichtig, dass ich weitermache. Es motiviert, wenn Men-schen mitmachen und unterstützen. Ich glaube an eine gerechte Zukunft und kämpfe dafür. Mein Appell an die Ge-sellschaft: Alle können etwas bewirken. An die Politik: Wir wählen sie, daher ist gesellschaftlicher Druck entscheidend. An die Wirtschaft: Sie muss klimaneutral werden und die Ausbeutung stoppen. Geld muss gerechter verteilt werden – global und innerhalb Europas

Sie waren auch in Südtirol unterwegs, was geben Sie uns mit?
Südtirol ist wunderschön. Um diese Schön-heit zu bewahren, müssen wir aktiv Kli-maschutz betreiben. Biodiversität, Natur und Landschaft müssen geschützt werden – besonders angesichts von Hitze und Extremwetter. Es geht nicht darum, gegen Einzelne zu kämpfen, sondern gemeinsam Strukturen zu verändern. Klimaschutz und Klimagerechtigkeit sind wichtig für alle. Der Dialog ist entscheidend, um Lösungen zu finden.

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