+39 0472 208 208   bildung@oew.org Leichte und Einfache Sprache Hoher Kontrast Links unterstrichen
Revolutionary Stories

Revolutionary Stories Materialien zu Ausstellung und Jugendbuchreihe

Gemeinsam mit Farida Lardjane und Fernando Biague bereitet die OEW Aspekte der europäischen Kolonialgeschichte für Euch auf. Dabei entstanden die Ausstellung „Revolutionary Stories“. Sie zeigt 7 Held*innen des Widerstands aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Zwei ihrer Geschichten konnten wir bereits in illustrierte Jugendbücher verwandeln. Geschrieben sind sie von Südtiroler*innen mit Migrationsgeschichte. Auf dieser Seite findet ihr vertiefende Texte zu den Figuren in unserer Ausstellung (Heroes), Hintergrundinformationen zum Buchprojekt (Behind the Scenes) und einen Bereich für eure eigenen Geschichten (Call).


1. Ober-/Berufsschule 2. Ober-/Berufsschule 3. Ober-/Berufsschule 4. Ober-/Berufsschule 5. Ober-/Berufsschule

Sarraounia Mangou (Niger, ca. 1880 – unbekannt)

Sarraounia Mangou, die spirituelle Anführerin und Königin der Azna (Volk im heutigen Niger), verlor bei ihrer Geburt ihre Mutter. Sie wurde von einem Einsiedler großgezogen, der sie in die Traditionen ihres Volkes einführte, sie in Heilkunst, Kampftechniken und in politischer Führung unterrichtete.

Nach dem Tod ihres Vaters übernahm sie als junge Frau die Regierungsgeschäfte und sah sich bald mit den übermächtigen französischen Kolonialtruppen konfrontiert. Sie wurden von den Offizieren Paul Voulet und Julien Chanoine angeführt, die für ihr brutales Vorgehen berüchtigt waren. Die Franzosen versuchten, die von ihnen besetzten Gebiete von West- bis Zentralafrika miteinander zu vereinen. Hierfür wollten sie auch das Reich der Azna einnehmen.

Als die französische Kolonialtruppe im April 1899 in das Reich der Azna eindrang, hatte Sarraounia Mangou die Stadt Lougou räumen lassen. All ihre Bewohner*innen hatten sich in den „Heiligen Wa

Steve Bantu Biko (Südafrika, 1946-1977)

Steve Biko war mutiger Vordenker, Autor, politischer Aktivist und Community Worker. Er gilt als Vater der „Black Consciousness Bewegung“.

Als er im Alter von 31 Jahren in seiner Geburtsstadt King William’s Town beigesetzt wurde, nahmen 20.000 Menschen aus der ganzen Welt an den Feierlichkeiten teil. Er hatte sie im Geiste miteinander vereint. Denn seit seinen Jahren an der Universität hatte er für Freiheit gekämpft – ein Ideal, dass sie alle teilten. Dabei wusste er, dass der Weg aus der Unterdrückung des Apartheidsregimes für Schwarze Menschen nur gemeinsam und durch die Wertschätzung ihrer Perspektive möglich sein würde. Und so achtete er jede*n für ihre*sein ganz eigenen Kompetenzen und Potenziale.

Schon als junger Student gründete Steve Biko die „South African Students’ Organisation (SASO)“ mit, zu deren Präsident er gewählt wurde. Außerdem unterstützte er die Gründung zahlreicher politischer Verbände für Schwarze Menschen. Sie bemühten sich vor allem um ein neues Selbstbewusstsein der Schwarzen Jugend und ermutigte sie dazu, ihre politische Unterdrückung nicht länger hinzunehmen.

Für das Studentenbulletin der SASO schrieb er die Kolumne „I Write What I like“ (deutsch: Ich schreibe, was ich will). Ab 1972 gab er gemeinsam mit Prof. Ben Khoapa den jährlich erscheinenden „Black Review“ heraus, der über die Unterdrückungsmaßnahmen der weißen Regierung und über politische Trends in der Schwarzen Gemeinschaft berichtete. Zum ersten Mal erhoben Schriftsteller, Dichter und Künstler in Südafrika gemeinsam ihre Stimme gegen das Apartheidsregime.

Unter Bikos Leitung kamen außerdem Schwarze Journalist*innen in der „Black Press Commission“ zusammen, um Gelder zur Gründung eines Verlags zu sammeln. Er sollte Zeitungen, Magazine und Bücher für die Schwarze Bevölkerung veröffentlichen.

Die Apartheid-Regierung sah in den Aktivitäten des immer populärer werdenden jungen Mannes eine Gefahr und belegte ihn 1973 mit einem Bann und dazugehörigen Auflagen. So durfte er seine Geburtsstadt nicht mehr verlassen. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte er den Stadtteil, in dem er groß geworden war, „Ginsberg Township“, in eine Ideenschmiede für Gemeinschaftsprojekte, die er selbst tatkräftig mit realisierte. So gründete er ein Gesundheitszentrum, eröffnete den inzwischen geschlossenen Kinderhort wieder, organisierte Einkaufsgruppen, um günstigere Preise für Lebensmittel zu ermöglichen, schuf eine Bücherei und eröffnete ein Regionalbüro des „Black Community Program“ (BCP), in dem sich Schwarze Menschen wohltätig für andere einsetzten.

Als es 1976 im Obersten Gerichtshof zum Prozess gegen die SASO und das BPC kam, trat Steve Biko in den Zeugenstand, wo er eine Grundsatzrede über Black Consciousness hielt. Seitdem galt er als Verkörperung und Seele der Schwarzen Sache.

1977 wurde Steve Biko bei einer Straßensperre festgenommen und wegen Missachtung des Banns und der angeblichen Anstiftung zum Terrorismus ins Gefängnis von Port Elizabeth gebracht. Während der Verhöre wurde er von der Sicherheitspolizei zu Tode gefoltert. Als Todesursache wurde ein Gehirntrauma festgestellt. Die Täter blieben unbestraft.

Lalla Fadhma N’Soumer (Algerien, ca. 1830-1863)

1830 verleibte sich Frankreich Algerien als Kolonie ein – eben in
demselben Jahr, in dem eine der entschiedensten Widersacherinnen
geboren wurde.
Lalla Fadhma N’Soumer aus dem Volk der Amazigh entstammte einer
Familie sufistischer Geistlicher. Anstatt sich traditionellen
Rollenbildern zu unterwerfen, schärfte sie schon früh ihren wachen Verstand, indem sie selbst die Koranschule besuchte, die sie später sogar leitete, während sie eine Ehe und auch eigene Kinder für sich ablehnte.
Es heißt, dass sie tage- und nächtelang betete und meditierte, was ihr in ihrem Umfeld große Ehrfurcht einbrachte. Ihr Gottvertrauen ließ sie
zugleich furchtlos gegen die überlegenen französischen Kolonialtruppen vorgehen. Dabei zeigte sie großes taktisches Geschick in den Kämpfen, die sie anführte.
Als Lalla Fadhma N’Soumer 16 Jahre alt war, weiteten die Franzosen ihren Einflussbereich
auf die algerische Region Kabylei aus. Dabei kam es fortlaufend zu Gegenwehr. Die Schlacht von Oued Sebaou ging jedoch in die algerische Geschichte ein. Zunächst zeigten sich die Kolonialtruppen überlegen, da sie zahlenmäßig und waffentechnisch weitaus besser aufgestellt waren als die algerischen Widerstandskämpfenden. Doch dann übernahm Lalla Fadhma N’Soumer das Kommando und führte ihre Männer und Frauen mutig und  bestimmt zum Sieg. In den zwei Monate dauernden Kämpfen hatten 5.000 Algerier*innen,
ausgestattet nur mit einfachen Dolchen und Säbeln, 8.000 mit Bajonetten bewaffnete
Franzosen besiegt. Die Franzosen baten um einen Waffenstillstand, den sie dazu nutzten, um 35.000 Soldaten in der Kabylei zusammenzuziehen. Nach verschiedenen weiteren Kämpfen erlitt Lalla Fadhma N’Soumer 1857 die entscheidende Niederlage und wurde
gefangen genommen.
Nach sechs Jahren Haft unter schwersten Bedingungen starb Lalla Fadhma N’Soumer. Sie
hatte einsehen müssen, dass sie gegen die übermächtigen Kolonialtruppen nichts ausrichten
konnte. 1995 wurden ihre Überreste in den „El Alia“-Friedhof in Algier überführt, wo die
Märtyrer*innen und Held*innen der algerischen Nation ruhen. Mit ihrem temperamentvollen, rebellischen Geist und ihrem starken Glauben war sie zu einer fast mythischen Figur aufgestiegen, die alle, denen sie begegnet war, zutiefst beeindruckt hatte.
Mit ihrem Mut und ihren selbstlosen Entscheidungen für den Glauben, die Heimat und die Freiheit hat sie bis heute eine große Vorbildfunktion. 

Saad Zaghloul (Ägypten 1858-1927)

Saad Zaghloul wurde 1858 in Ibyānah (Ägypten) geboren. Er wuchs als Sohn einer Bauernfamilie auf. Sein Vater war zugleich Bürgermeister,
verfügte aber über zu wenig Macht, um die Dorfbevölkerung vor der Ausbeutung und Gewalt durch die britische Kolonialmacht zu schützen.
Schon als Kind schwor sich Saad Zaghloul, für Gerechtigkeit und Selbstbestimmung zu kämpfen. Er war überzeugt, dass Bildung ihm die
Mittel hierfür bereitstellen würde. So besuchte er zunächst die Koranschule, später die berühmte Al-Azhar Universität in Kairo und wurde
schließlich Jurist.
In Kairo kam er mit den ägyptischen Intellektuellen seiner Zeit in Kontakt. Er lernte Menschen kennen, die sich bereits gegen das Kolonialregime wandten. Gamal Eldin Al-Afghani und Mohamed Abdo deckten in Artikeln, die sie geheim und unter falschem Namen veröffentlichten, die Gräuel des Kolonialismus und die Machenschaften der korrupten ägyptischen
Regierung auf. Beeindruckt von ihrem Mut und überzeugt von der Möglichkeit, durch die Zeitungen die ägyptische Bevölkerung zu erreichen, schloss sich Saad Zaghloul ihnen an.
Als er erlebte, wie die Revolution von Orabi blutig niedergeknüppelt wurde, kam er zu der
Einsicht, dass der Weg in die Freiheit nur mit diplomatischen Mitteln zu begehen sei. Er mischte sich von nun unter die führende ägyptische Klasse und tauschte sich mit denjenigen aus, die in regem Kontakt mit den Briten standen. Denn er wollte die Strategien seines Gegners genau verstehen. Außerdem begann er, umherzureisen und Anhänger*innen aus ganz Ägypten um sich zu scharen. Als er 1919 bei der Pariser Friedenskonferenz auch auf internationaler Bühne die Unabhängigkeit Ägyptens einfordern wollte, verweigerte ihm die Kolonialmacht die Ausreise und verbannte ihn ins Exil. Daraufhin brach in Ägypten die Revolution aus. Menschen im ganzen Land traten geeint auf und demonstrierten für die
Befreiung Zaghlouls und die Unabhängigkeit des Landes. In Saad Zaghloul, der die Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungsschichten kannte, konnten sich alle wiederfinden. Er sprach mit der Stimme des Volkes und trat zugleich furchtlos für das Wohlergehen seines Landes ein.

Amílcar Cabral (Guinea-Bissau, 1924-1973)

Amílcar Cabral wurde als Sohn eines Grundschullehrers und einer Näherin, die in einer Fischfabrik arbeitete, in Guinea-Bissau geboren.
Wahrscheinlich wurde er nach Hamilkar Barkas benannt, der Karthager, der als erster Widerstandskämpfer gegen die europäische Vorherrschaft in Afrika gilt und dessen Sohn Hannibal sich dem Römischen Reich entgegenstellte. Guinea-Bissau war ebenso wie die Kapverdischen Inseln, wo die Familie seit 1932 lebte, portugiesische Kolonie. Hier erlebte Amìlcar Cabral, als Sechzehnjähriger, wie 20.000 Menschen, mehr als ein Zehntel der Bevölkerung, an Hunger starben. Denn die portugiesischen Händler exportierten alles Getreide und Gemüse nach Europa. Die Preisexplosion im Zweiten Weltkrieg ermöglichte ihnen hier große Gewinne. 1944 folgte die zweite Hungerkatastrophe, der
sogenannte „lautlose Völkermord“. Diese Ereignisse beeinflussten Cabrals Denken und Handeln stark.
Als er 1945 ein Stipendium für ein Studium in Lissabon erhielt, schrieb er sich in Agrarwissenschaften ein. In Lissabon wurde Cabral politisch aktiv. Er nahm an Demonstrationen teil, wurde dabei auch verhaftet und engagierte sich bei Studierendenversammlungen. Er spürte, dass
Schwarze innerhalb der Négritude-Bewegung in allen Teilen der Welt auf Veränderung drängten.
Nach seinem Studium, zurück in Guinea-Bissau, arbeitete er im land- und forstwirtschaftlichen Dienst, war der Kolonialverwaltung aber ein Dorn im Auge. Er wurde ausgewiesen und lebte von nun an in Angola. Mit dortigen Intellektuellen gründete er die MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas); zuvor hatte er die PAIGC (Afrikanische Unabhängigkeitspartei von Guinea-Bissau und Kapverden) ins Leben gerufen. Als der
Präsident des Landes der PAIGC ein Hauptquartier zur Verfügung stellte, zog er nach GuineaConakry um. Von hier aus sprach er im Radio zu seinen Landsleuten in Guinea-Bissau und Kapverden und bereitete sie auf den Kampf für die nationale Befreiung vor. Die PAIGC
bildete Befreiungskämpfer aus. Ihnen ging es nicht um den Kampf gegen Portugies*innen,
sondern um die Zerschlagung des portugiesischen Kolonialsystems. Gleichzeitig war Cabral
überzeugt, dass die Freiheit – sollte sie Bestand haben – mit einer Verbesserung der
Lebensumstände einhergehen müsste. Deshalb unterhielt die PAIGC auch Krankenstationen
und Volksläden, sie richtete Schulen auch in schwach besiedelten Gebieten ein und, wenn
Zeit zur Verfügung stand, unterstützen ihre Kämpfer die Landbevölkerung bei der Arbeit auf
dem Feld.

Im Sinne des neuen Geistes verfasste Cabral sogar vier Schulbücher. In der PAIGC sollten die
Prinzipien von Zusammenhalt und Demokratie gelten, die gleichzeitig nach außen getragen
wurden. Gemeinwohl und Volkssouveränität standen an oberster Stelle. 1972 wurde die
PAIC von der UNO als rechtmäßige Vertreterin der Völker von Guinea-Bissau und Kapverden
anerkannt. Die Länder standen kurz vor ihrer Unabhängigkeit. 1973 kam es jedoch zur
Katastrophe: Als Cabral 1973 Guinea-Conakry besuchte, wurde er im Auftrag Portugals, das
die Kolonien nicht verlieren wollte, von einem PAIGC Marine-Offizier erschossen. Als Reaktion riefen die PAIGC Kämpfer die „Operation Amílcar Cabral“ aus. Sie wurde zur Schlussoffensive gegen das Kolonialregime. Am 24. September 1973 konnte der unabhängige Staat Guinea-Bissau proklamiert werden. Cabrals Bruder wurde zum Präsidenten gewählt. Ein anderes Gründungsmitglied der PAIGC wurde 1975 Präsident von Kapverden.

Abune Petros (Äthiopien, 1892-1936)

Der spätere Bischof der Äthiopischen Orthodoxen Kirche wurde 1892 als Sohn einer Bauernfamilie in Fiche, einem Dorf nördlich von Addis Ababa,
geboren. Er trug den bürgerlichen Namen Hailemariam, der sich in „Die Kraft Marias“ übersetzen lässt. „Petros“ wählte er später als Ordensnamen selbst, Abune ist der äthiopische Bischofstitel. Mit 24 Jahren legte er sein Gelübde ab, lebte in seiner Heimatregion im Kloster und trat hier als charakterfester Lehrer und weiser Priester in Erscheinung. Er lehrte die Menschen Mitgefühl, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld. Mit 36 Jahren wurde er zu einem der vier
äthiopischen Bischöfe ernannt und im zentralen und östlichen Äthiopien eingesetzt. Er vertrat die Ansicht, dass man an Christus glauben, aber auch
in seinem Namen leiden müsse.
Als die italienischen Faschisten unter Mussolini in Äthiopien einfielen, folgte Abune Petros Kaiser Haile Selassie an die nördliche Front. Dort predigte er, pflegte die Verwundeten und
beerdigte die Gefallenen. Hier erlebte er, mit welch grenzenlosem Terror und mit welch rücksichtsloser Gewalt die Italiener vorgingen. Sie setzten Giftgas und moderne Waffentechnik ein, brannten Wälder und Dörfer mit unschuldigen Zivilist*innen nieder und begingen weitere Gräueltaten gegen die Bevölkerung, da sie befürchteten, sie kollaboriere mit den Widerständigen. Dem widersetzten sich die Äthiopier*innen, indem sie einer Guerilla-Taktik folgten, d. h. getarnt und unerwartet aus Verstecken angriffen.
Tief betroffen von diesen Ereignissen, bereitete sich Abune Petros entschieden auf die Auseinandersetzung mit den Faschisten vor. Komme, was wolle: Im Leben wie im Tod wollte
er mit Gott vereint sein. Er fastete, richtete sich in Predigten gegen die Invasion und bekräftigte seine Landsleute darin, Widerstand zu leisten. Die Italiener fürchteten seinen Einfluss auf die Bevölkerung und versuchten, ihn zu bestechen. Er sollte ein Haus im besten Stadtteil von Addis Ababa bekommen und hier in Frieden leben können, wenn er seinen Widerstand aufgäbe. Seinen Prinzipien treu, lehnte Abune Petros dieses Angebot ab. Als die Italiener im Juli 1936 in Addis Ababa einfielen, begab er sich sofort dorthin. Er wurde gefangen genommen und wegen Hochverrats gegen die italienische Besatzung angeklagt.
Die Italiener stellten ihn vor eine Entscheidung: Abune Petros sollte seinen Widerstand aufgeben oder mit dem Tode bestraft werden. Abune Petros lehnte das Angebot jedoch mit den folgenden Worten ab: „Der Schrei der Männer meines Landes, die durch Euer Nervengas und Eure
Terrormaschinerie gestorben sind, wird es meinem Gewissen niemals erlauben, ein
Ultimatum zu akzeptieren. Wie kann ich meinen Gott sehen, wenn ich vor einem solchen Verbrechen meine Augen verschließe? […] Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen
verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich.“
In einem kurzen Prozess wurde das Todesurteil über ihn gefällt. Die Nachricht hierüber verbreitete sich schnell, und aus dem ganzen Land kamen Menschen in die Hauptstadt. Aus
der Angst vor Aufständen vollstreckten die Italiener das Urteil so schnell wie möglich. Abune
Petros wurde zum Hinrichtungsplatz geführt und durfte sich in letzten Worten an die Menge
wenden, die sich dort versammelt hatte. „Meine Landsleute,“ beschwor er die Anwesenden,
„glaubt den Faschisten nicht, wenn sie euch sagen, die Patrioten seien Banditen. Die Patrioten sind Menschen, die sich nach Freiheit von den Schrecken des Faschismus sehnen. Banditen sind die Soldaten, die vor mir und Euch stehen, die aus der Ferne kommen, ein schwaches und friedliches Land terrorisieren und gewaltsam besetzen: unser Äthiopien.
Möge Gott dem äthiopischen Volk die Kraft geben, Widerstand zu leisten und sich niemals der faschistischen Armee und ihrer Gewalt zu beugen. Möge die äthiopische Erde niemals die Herrschaft der Invasionsarmee akzeptieren." Dann traf ihn ein Kugelhagel.
Die italienische Besatzungsmacht verbot jede Berichterstattung über Abune Petros. Denn sie
fürchtete, ihr Verbrechen gegen ihn würde die öffentliche (internationale) Meinung gegen
sie aufbringen. Dennoch ist die Erinnerung an ihn nicht erloschen. Abune Petros steht für furchtlose Aufrichtigkeit und den prinzipientreuen Einsatz gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 1941 wurden die italienischen Truppen aus Äthiopien vertrieben, zehn Jahre nach seiner Hinrichtung wurde in Addis Ababa ein Denkmal für Abune Petros errichtet. Bis heute ist Äthiopien stolz darauf, seinem Beispiel gefolgt zu sein und sich nie vollständig einer fremden Macht als Kolonie untergeben zu haben.

Djamila Bouhired (Algerien, 1935)

Djamila Bouhired kam 1935 als Tochter eines algerischen Vaters und einer tunesischen Mutter in Algier zur Welt. Ihre Familie gehörte der Mittelschicht an, und so hatte sie die Möglichkeit, die Schule zu besuchen. Der Unterricht folgte dem französischen Lehrplan und in französischer Sprache. Denn die Schulen dienten der Kolonialmacht dazu – Frankreich hatte sich Algerien 1830 einverleibt –, junge Algerier*innen auf ihre Seite zu ziehen. Sie sollten glauben lernen, dass die französische Besatzung Algeriens gerechtfertigt sei und eine französisch- beeinflusste Identität annehmen. Schon als Kind
verspürte Djamila Bouhired jedoch eine starke Ablehnung gegenüber dem Kolonialregime. Nicht Frankreich war ihre Mutter, wie man ihr in der Schule versuchte beizubringen, sondern Algerien! Ihre Kenntnis der französischen Sprache und Denkweise sollten ihr aber im Widerstandskampf zu dessen berühmtester Figur sie werden sollte – hilfreich sein.
1954 führte die kurz zuvor gegründete Nationalen Befreiungsfront (FLN) eine Anschlagsserie durch. Sie stellte den Beginn der algerischen Revolution dar, die erst 1962 ein Ende finden sollte. Schon früh wurde Djamila Bouhired als Widerstandskämpferin von der FLN rekrutiert.
Zu ihren Aufgaben gehörte es, innerhalb der Hauptstadt Algier geheime Nachrichten und Waffen zu überbringen, Anschläge zu verüben (sie platzierte eine Bombe im Air France Terminal des Flughafens, die allerdings nicht explodierte) und einen 7-Tage Streik mit zu organisieren. Aufgrund ihres Geschicks und ihres Muts wurde sie zur Assistentin, dem rechten Arm von Saadi Yacef, dem FLN-Kommandanten der arabischen Altstadt von Algier. 1957 flog sie auf und wurde von den Franzosen verhaftet. In der Gefangenschaft wurde sie tagelang gefoltert, gab aber keine geheimen Informationen preis. Sie wurde dem französischen Gericht in Algier vorgeführt und für ihren Anschlagsversuch im Alter von 22 Jahren zum Tod unter der Guillotine verurteilt. Indem er das Manifest „Pour Djamila
Bouhired“ (deutsch: Für Djamila Bouhired) verfasste und hierin die Verbrechen der französischen Kolonialherrschaft in Algerien beschrieb, gelang es ihrem (französischen) Anwalt und späteren Ehemann, Jacques Vergés, ihren Fall international ins Gespräch zu bringen. Nachdem sich Intellektuelle wie der Philosoph Jean-Paul Sartre oder Persönlichkeiten wie die Prinzessin von Marokko, Lalla Ayesha, für sie einsetzten, wurde ihre Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe verwandelt, die sie in Reims (Frankreich) absitzen sollte. Als Algerien 1962 die Unabhängigkeit von der französischen Kolonialmacht erlangte, kam Djamila Bouhired allerdings frei. Ihr ungeheurer Mut und ihre Willensstärke haben sie zur Ikone der algerischen Revolution werden lassen. Ihr Leben wurde verfilmt, sie erhielt internationale Ehrungen. Auch heute noch tritt sie für Gleichheit und Freiheit ein.

Dazu haben wir folgende Angebote

Revolutionary Stories

Ausstellung für MS, OS, BS
Held*innen des Widerstands

Infos, Details & Preise

Verwandte Themen

Revolutionary Stories: Behind the Scenes

Hintergrundinformationen zur Jugendbuchreihe

Mit „Revolutionary Stories“ haben wir uns auf neues Terrain begeben. Denn zum ersten Mal haben wir ein Jugendbuch erstellt. Hier ein kleiner Einblick in all das, was hinter den Kulissen geschehen ist. 

Revolutionary Stories: Call

Teile auch deine Geschichte

Manchmal tauchen Held*innen ganz unvermittelt in unserem Leben auf und krempeln es komplett und ganz sagenhaft um! Kannst auch du von Held*innen erzählen, dann schreibe uns an info@oew.org. Vielleicht landet deine Geschichte dann auch auf OEWPlus!